Travel in Time and Space

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The “Cavey” Pictures

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Forschungsfrage, wie prähistorische Felsbildkunst von 1930 bis 1960 die Genese von Gegenwartskunst in Paris und New York beeinflusst hat. Dabei soll die Ausstellung Prehistoric Rock Pictures in Europe and Africa, kuratiert von Alfred H. Barr, Dorothy Miller und Iris Barry, die 1937 im Museum of Modern Art in New York zu sehen war, als Katalysator untersucht werden. Die 150 prähistorischen Felsbildkopien aus der Sammlung des deutschen Ethnologen Leo Frobenius, welche ebenfalls 1930 und 1933 in Paris ausgestellt waren, werden in neue Zusammenhänge sozialer Bildkulturen gestellt,und die Mechanismen ihrer Aneignung werden thematisiert. Die prähistorische Felsbildkunst, die erstmalig einer breiten Öffentlichkeit farbig und in Originalgröße präsentiert worden war, veranschaulichte den Ursprung menschlicher Kreativität. In Paris inspirierte sie europäische Künstler des Surrealismus und später in New York ebenfalls amerikanische Künstler des abstrakten Expressionismus. Maler der New York School, der Indian Space Painter und der American Abstract Artist, wie Robert Motherwell, Jackson Pollock, Will Barnet, Mark Rothko oder Balcomb Greene sind maßgeblich durch die Konzepte prähistorischer Kunst bis in die 1960er Jahre beeinflusst worden. Der angestrebte Diskurs rekurriert auf medienanthropologische Fragen zu Original, Kopie und Rezeption als auch auf die Mobilität von prähistorischen Bildern in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere aus Altamira.


The research project focuses on the question how the art of prehistoric rock painting influenced the genesis of contemporary art from 1930 to 1960 in Paris and New York. This includes analyzing the exhibition Prehistoric Rock Pictures in Europe and Africa, which was curated by Alfred H. Barr in New York (Museum of Modern Art, 1937-39) and in Paris (1930, 1933) which worked as a catalyst for 20th century art. 150 copies of prehistoric rock paintings from the collection of the German anthropologist Leo Frobenius will be put into new social contexts of visual culture, and the mechanisms of appropriating them will be analysed in detail. For the first time, rock art was shown to the public in color and in its original size, thus visualizing the origins of human creativity. The exhibition initiated reception processes by surrealist artists in Paris and representatives of abstract expressionism in New York. Artists of the New York School, the Indian Space Painter and the American Abstract Artist, such as Robert Motherwell, Jackson Pollock, Will Barnet, Mark Rothko and Balcomb Greene had been greatly influenced by the concepts of prehistoric art up to the 1960s.
The discourse will also draw on media-anthropological issues of original, copy, reception, and the mobility of prehistoric art in the first half of the 20th century, especially from Altamira.

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DFG-Buchprojekt (2018/19)

The “Cavey” Pictures
The American Abstract Artists and their turn to non-figurative art inspired by prehistoric rock paintings at MoMA (1937-39)


Dr. Elke Seibert, Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris


Dieses Buchprojekt wird einen bisher unbekannten Aspekt der Amerikanischen Kunstgeschichte beleuchten: der Einfluss prähistorischer Malereien, ausgestellt im Museum of Modern Art vom 30. April bis 30. Mai 1937, auf die New Yorker Kunstszene und auf die Künstler des Kollektivs The American Abstract Artists (AAA). Ein historischer Moment in der frühen Entwicklung des amerikanischen Abstrakten Expressionismus kann auf der Basis einer mehrjährigen wissenschaftlichen Studie, welche primäre Quellen aus den Archiven des Smithsonian Archives of American Art, des Getty Research Center miteinbezog, und mit eindrücklichen Bildwerken aus den Sammlungen der National Gallery of Art in Washington DC und dem Smithsonian American Art Museum überzeugend dargestellt werden. Neue Fakten zur New York School und zu transatlantischen Verbindungen auf der Achse Paris – New York lassen deutlich werden, wie Irving Sandler und Clement Greenberg schrieben, dass die AAAs in den Jahren 1937-39 eine innovative und einflussreiche Gruppe gewesen sind.
Nur kurze Zeit nach der Gründung 1936 durch Josef Albers, Rosalind Bengelsdorf, Harry Bowden, Bryon Browne, Giorgio Cavallon, Arthur Christie, Burgoyne Diller, Werner Drewes, Susie Frelinghuysen, Albert Gallatin, Gertrude und Balcomb Greene, Harry Holtzman, Carl Holty, Ray Kaiser, Paul Kelpe, Marie Kennedy, Ibram Lassaw, Leo Lances, Alice Mason, Esphyr Slobodkina, David Smith, Albert Swinden, Wilfrid M. Zogbaum, u. a. und ihrer ersten Gruppenausstellung Anfang April 1937, präsentierte das MoMA eine Schau prähistorischer Felsbildkopien der Frankfurter Sammlung des Ethnologen Leo Frobenius, deren Impetus intensiv im Kreise dieser jungen Künstler diskutiert und reflektiert worden ist. Arshile Gorky, Willem de Kooning und Hans Hofmann standen den AAA Künstlern nahe, unterrichteten diese oder arbeiteten im Rahmen des Federal Art Projects (WAP) mit ihnen zusammen. Auch wurden AAA Mitglieder für Ausstellungen der Gruppe The Ten eingeladen, und durch diese vielfältigen Verwebungen konnten sich die AAA dynamisch ihrem Ziel nähern: den turn von der figurativen zur abstrakten Kunst einzuleiten.   
Alfred H. Barr erweiterte die rund 150 farbigen Kopien vorzeitlichen Artefakte der Ausstellung Prehistoric Rock Pictures from Europe and Africa, zum Teil in Originalgrösse und -massstab, um eine Auswahl an Werken avantgardischer europäischer Maler, wie etwa Paul Klee, Joan Miró, Jean Arp, André Masson oder Wassily Kandinsky, und visualisierte die bereits bestehenden Debatten zum Modernismus der Prähistorie. Eine weitere, kleine Sektion mit Lithografien von Pictogrammen und Petroglyphen der Chumash Indians in Californien, die 1935 von der jungen Amerikanerin Lala Eve Rivol für den Index of American Design kopiert worden sind, lenkte zudem die Aufmerksamkeit auf das eigene kulturelle Erbe. Das Barrsche Konzept nahm Strömungen der europäischen und amerikanischen Avantgarde auf, ebenso wie das Interesse an Archetypen und an der Lehre C.G. Jungs.
In einer Chronologie der Ereignisse soll deutlich werden, wie einzelne Künstler der American Abstract Artists ihre Bildgrammatik veränderten, nachdem sie die MoMA-Ausstellung gesehen, besprochen und rezensiert hatten. Kunst traf auf Kunst und generierte neue Kunst. Ein erstaunlicher Wechsel der Bildsprache ist erkennbar, ausgehend vom Portefolio (1937) der Gruppe und nachfolgender Bildwerke (1939-42). Die vorzeitlichen Malereien im MoMA zeigten ihnen Lösungen für aktuelle künstlerische Probleme auf und legitimierten abstrakte Bildmotive durch den Rückgriff auf die Vergangenheit, auf die Natur und den Beginn menschlicher Kreativität. Sie experimentierten mit der Perspektive, der Dreidimensionalität, dem überlagern von Flächen und Farben (overlay of image on image), der Materialität erodierter Oberflächen, der Balance zwischen Licht und Schatten und der Höhle als Raum für konzeptionelle Kunstwerke. Das Phantastische, das Magische, die Simplizität, trafen den Nerv dieser jungen Generation, die bis dahin dem Kubismus und dem Regionalismus verhaftet war. Die Konstruktion einer Vorzeit eröffnete einen Projektionsraum für den ersehnten Neuanfang in der Kunst und in der Gesellschaft, was bisher in den Publikationen zu den American Abstract Artists nicht berücksichtigt worden ist. Diese Forschungslücke soll geschlossen werden und zu zukünftigem Forschen zur Prähistorie als Idee der Moderne einladen. 
Diese Publikation wird durch die Deutsche Forschungsgesellschaft in Bonn gefördert.

Ende des DFG-Buchprojekts: 30.06.2020

Bibliografie:

Elke Seibert, « ‹First Surrealists Were Cavemen›. The American Abstract Artists and Their Appropriation of Prehistoric Rock Paintings in 1937 », In: Getty Research Journal (2018), (bereits angenommen). 


Agathe Cabau / Elke Seibert (Hg.), Discovering/Uncovering the Modernity of Prehistory. Konferenzband zur Tagung « Préhistoire et modernité / Prähistorie und Modernität » (23./24.3.2016) am DFK Paris, mit Beiträgen von Rémi Labrusse, Thierry Dûfrene, Harald Floss, Maria Gonzales Menendez, Emmanuel Anati et Elke Seibert, Capo di Ponte 2018 (in Vorbereitung), URL: https://dfk-paris.org/de/publication/discoveringuncovering-modernity-prehistory-2627.html.


Elke Seibert, « Alfred J. Barr’s Visionary Concept of the Prehistoric and the Modern: An Inspiration for American Artists », In: 10 American: After Paul Klee, Ausst.- Kat. Zentrum Paul Klee Bern/ Phillips Collection Washington D.C., München/New York 2017, S. 45-53.


Elke Seibert, « Prähistorische Malereien im Museum of Modern Art (1937) und ihre Modernität », In: Kunst der Vorzeit, hg. v. Hélène Ivanoff/Karl-Heinz Kohl/Richard Kuba, Ausst.-Kat. Gropius Bau Berlin, 2 Bde., Bd. 2, München/New York 2016, S. 54-62.


Elke Seibert, « Klees ‹Little Experimental Machine› und prähistorische Malereien im Museum of Modern Art in New York (1937) », In: www.zwitscher-maschine.org, No. 2, 2016, URL : https://www.zwitscher-maschine.org/archive/2016/9/11/seibert-klee-und-prhistorische-malerei [letzter Zugang: 13. Dezember 2017]


Elke Seibert, « Prähistorische Malereien im Museum of Modern Art », In: www.kunsttexte.de, Juli 2014, URL : https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/7990 [letzter Zugang : 13. Dezember 2017]


Abbildung:
Abb. 1) Rosalind Bengelsdorf, Abstraction, 1938, Oel auf Leinwand, 91,5 x 61 cm, Smithsonian American Art Museum, Washington DC.

 

 

 

 

 

Projektbeginn
01.01.2016
Projektende
31.12.2017

Leitung

Kontakt
Prof. Dr. Thomas Kirchner

Prof. Dr. Thomas Kirchner

Ehemaliger Direktor des DFK Paris (2014–2022)
Telefon +33 (0)1 42 60 67 82

Forscher

Kontakt
Elke Seibert (PhD)

Dr. Elke Seibert

Wissenschaftliche Mitarbeiterin / bis 2018
Rosalind Bengelsdorf, Abstraction, 1938, Oel auf Leinwand, 91,5 x 61 cm, Smithsonian American Art Museum, Washington DC.