Ästhetische Dimensionen kultureller Übersetzungsprozesse in der Weimarer Klassik
Ästhetische Dimensionen kultureller Übersetzungsprozesse in der Weimarer Klassik
Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar erkundet die Weimarer Klassik in ihrer ästhetischen Positionierung, Aneignung und Übersetzung im Zeichen eines transnationalen, intermedialen und performativen Kulturtransfers. Eine Ausstellung im Rahmen des Forschungsprojekts wird 2012/13 in Paris und Weimar gezeigt. Als Beispiel einer konkreten kulturellen Übersetzungsleistung in gleichsam gelebter Realität führt, in einem ersten Teil des Projekts, das Weimarer Goethehaus die fundamentale Bedeutung, die eine reflektierte ästhetische Erfahrung für die Weimarer Klassik besaß, exemplarisch vor Augen. Bereits die Disposition der Räumlichkeiten zeigt an, dass das Haus einer Spannung zwischen alltäglichem Wohn- und Arbeitsraum einerseits und ästhetischer Inszenierung des Dichters und Geheimrats andererseits ausgesetzt war.
Neben dieser »Phänomenologie des Wohnens« als anschaulicher Übersetzung von repräsentativem und privatem Gestus an der Schnittstelle einer in sich geschlossenen wie auch welthaltigen Weimarer Gesellschaft ist ein zweiter Teil des Projekts einer weiteren ästhetischen Dimension des Übersetzens zugedacht: der Schrift und den Schreibszenen der Weimarer Klassik. Im Schreiben als Kulturtechnik werden der praktische Vollzug, die Motorik des Schreibens, und die diskursive Funktionalisierung der Schrift, als Notationssystem, enggeführt. Die Schreibtechnik der Weimarer Klassik steht im Zeichen einerseits des Verzichts auf eigenhändiges Notieren beim gleichsam entmaterialisierten Diktat und andererseits der Bedeutung, die der Sammlung von Autographen als vielleicht radikalster Form der Konzentration auf sinnlich-materielle Aspekte der Schrift zukam. Im Repertoire der Schreibformen erscheint eine Kultur des Schreibens, die literarische Imagination und materielle Ortsgebundenheit der Weimarer Klassik ineinander blendet.
Der dritte Teil des Projekts schließlich widmet sich den Wegen kultureller Übersetzung am Beispiel des Kulturtransfers zwischen Weimar und Paris. Die Interaktion von französischer Metropole und thüringischer Provinz war nicht nur durch literarische Wechselwirkungen bestimmt. Neben Goethes Lektüre der Zeitschrift »Le Globe« und Germaine de Staёls Weimar-Porträt fungierten vielmehr auch materiale Formen als Träger des Kulturtransfers, populär-kulturelle Medien wie Druckgraphik oder Zeitschriften, die sich einem Kult des Originals zu widersetzen scheinen. Die Pariser Gegenwartskultur – elegantes Leben, museale Sammlungspolitik, philosophische Debatten – stellte eine Folie dar, vor der sich das Weimarer Modell, gleichermaßen abgestoßen und verführt, ästhetisch positioniert.