Autoritäten der Kunstgeschichte
Autoritäten der Kunstgeschichte
Veranstaltungsreihe 2016/2017, organisiert
vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris
und dem Polnischen Institut in Paris
Die meisten Methoden und Interpretationen, die heute in der Kunstgeschichte Anwendung finden, wurden im Zuge einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Erbe der Wissenschaftskultur des 19. Jahrhunderts begründet. Verschiedene Aspekte wurden infolgedessen seit den 1960er Jahren befragt, namentlich die Einordnung nach nationalen Schulen und Stilen sowie die Unterscheidung in High und Low. Auch die Feststellung kolonialistischer Hegemonien gehört in diesen Zusammenhang. Des Weiteren wurden Phänomene der Hybridisierung, die sich aus der Zirkulation der Werke ergeben, in den Fokus gerückt. Auf diesem Wege konnten bis dato geltende Normen, Ordnungen und Wertungen der Kunstgeschichte in Frage gestellt werden. Doch wurden infolgedessen wiederum neue Hierarchien und Abstufungen geschaffen, sei es auf Grundlage binärer Kategorien (wie reaktionär und progressiv, Engagement und Autonomie, universell und international, lokal und global) oder anderen nicht mitbedachten ideologischen Bestimmungen.
Der Abstand erlaubt, diese Methoden ihrerseits einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und sie mit Blick auf ihren Entstehungskontext zu befragen: der Zeit des Kalten Krieges, aus der sie hervorgegangen sind und die sie nachhaltig geprägt hat. Die Zugehörigkeit der KünstlerInnen, KritikerInnen und KunsthistorikerInnen zum Ost- oder Westblock, zu bündnisfreien Ländern oder den sogenannten Drittweltländern bestimmte die Verwendung und Bedeutung ihrer Konzepte. Mit dem Fall der Berliner Mauer erlangten einige der geltenden Ansätze den Vorrang über andere, was eine Vereinheitlichung mit sich brachte. Vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Interessens- und Bezugsgemeinschaft konnte das Aufkommen globaler Perspektiven die Tendenz zur Angleichung verstärken, obwohl wachsende Ungleichheiten und das Wiedererstarken nationalistischer Tendenzen ihr de facto widersprechen.
Wir möchten das Ausmaß dieser Überlieferungen in den Blick nehmen und die Ordnungen, die sie mitbegründet haben, befragen, um neue Perspektiven aufzuzeigen. Es gilt, die politischen und historischen Aspekte, die unseren Denkbildern zugrunde liegen, kritisch zu prüfen. Dazu bedarf es allerdings des Austauschs von ForscherInnen aus unterschiedlichen akademischen Kontexten und einer Bewusstwerdung über die jeweils spezifische Laufbahn, aus denen die einzelnen Positionen hervorgehen. Erst in der Zusammenführung historiografischer Fragestellungen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Blick auf die Verwendung der Konzepte, die ideologischen Implikationen, die Begründung der Institutionen sowie die Interpretation und Präsentation von Kunst während des Kalten Krieges und nach 1989 begreifbar.
Vor diesem Hintergrund möchten wir renommierte Persönlichkeiten, die für ihren Beitrag innerhalb der Kunstgeschichte und im musealen Kontext anerkannt sind, zusammenbringen und sie einladen, die Bedeutungen, Verankerungen und Institutionalisierungsformen, die ihren Tätigkeitsbereich am entschiedensten geprägt haben, aus ihrem jeweiligen Kontext heraus zu erörtern. Die Veranstaltungsreihe geht zurück auf das Forschungsprojekt »OwnReality. Jedem seine Wirklichkeit. Der Begriff der Wirklichkeit in der bildenden Kunst in Frankreich, BRD, DDR und Polen der 1960er bis Ende der 1980er Jahre« und legt ihren Fokus auf den deutsch-französisch-polnischen Kontext. Sie schreibt sich zugleich in einen aktuellen Forschungsschwerpunkt des Deutschen Forums für Kunstgeschichte ein, der – in kritischer Abgrenzung zu streng komparatistischen, nationalstaatlich orientierten Studien – grundlegende methodologische Probleme im Rahmen einer kritischen Historiografie zu verhandeln sucht. Unser zentrales Anliegen ist es, die verschiedenen Akteure dazu einzuladen, ihren jeweiligen Werdegang nachzuzeichnen, in dieser Form bislang nicht geführte Diskussionen anzustoßen und ein Forum transregionaler Reflexion zu schaffen, in dem verschiedene Kunstgeschichten nebeneinander bestehen können.
Mathilde Arnoux, Lena Bader, Clément Layet, Matylda Taszycka
PROGRAMM
(Für weitere Informationen bitte auf die jeweiligen Untertitel klicken und das beigefügte PDF konsultieren)
I. VORSTELLUNGEN
1. Entstehung der Kategorien Ost-West (4. November 2016)
2. Neuausrichtung der Kategorien (18. November 2016)
3. Von 1968 bis 1989 (14. Dezember 2016)
II. PERSPEKTIVEN
1. Künste und Gesellschaften (3. Februar 2017)
2. Orte der Kritik und Aufkommen der politischen Aspekte (24. März 2017)
III. OBJEKTE
1. Die zeitgenössische Rezeption der Auftragswerke von sozialistischen Ländern (21. April 2017)
2. Die Museen und der Kalte Krieg (19. Mai 2017)