Blickwechsel #2 – Spielraum
Blickwechsel #2
Im Rahmen der Serie »Blickwechsel« schreiben Kolleg:innen des DFK Paris im Duo über Wort-Bild-Paare. Die daraus entstehenden Texte können verfolgt werden über www.instagram.com/dfkparis und sind auch hier auf unserer Homepage nachzulesen.
Im zweiten Beitrag von Februar 2025 tauschen sich Sira Luthardt und Dennis Jelonnek zu folgendem Wort-Bild-Paar aus:
Spielraum
Allée Colette, Jardin du Palais-Royal, Paris, 04.04.2024, 13:20 Uhr (Foto: S.L.)
Unser Wechselspiel setzen wir in einem neuen Spielraum fort: Mittagspause, weg vom Bildschirm, hinaus aus dem Hôtel Lully, hin zum Palais-Royal. Der Park empfängt den Frühling, Pariser und Touristen, die mir dieses Bild von ausgelassener Spielfreude zwischen schnurgeraden Baumalleen schenken. Die strenge Ordnung der Spalierlinden und Arkadenpfeiler rahmt den monochromen Sandboden, der sich im blauen Himmel spiegelt. In der Mitte wird gespielt, unten und oben: Die tanzenden Schatten der Leute ahmen unbemerkt die sich bauschenden Wolken nach. Auch historisch ist es ein Ort der Kontraste, Staatsmacht und Revolution, Verbrechen und Vergnügen, Spielhöllen, Bordelle, Theater und Geschäfte – alles, was zur Comédie humaine gehört, nahm hier abwechselnd seinen Platz ein. Heute aber scheint das zusammengeschmolzen und vergessen, und der Palais-Royal wirkt nur mehr wie eine Oase im Großstadttreiben. Ein goldener Käfig?
Und was geht dir angesichts dieses Wort-Bild-Paares durch den Kopf, lieber Dennis?
Deine Sira Luthardt
Spielerische Züge trug bereits die Anlage von Gärten wie diesem. Ihre Planung und Entwicklung lässt sich als die Arbeit an einem Spielraum begreifen, dem Landschaftsarchitekten eine Form gaben. Bestimmte Regeln waren zu befolgen, andere reizten dazu gebrochen zu werden. Die Zähmung der Natur entspann sich dabei häufig in Bezug auf Architektur. Johan Huizinga fasste »Spielen« als »eine gewisse Verbildlichung der Wirklichkeit« auf, das Miteinander von Architektur und Garten treffend umschreibend. Gebautes und Gewachsenes treten in Austausch, nähern sich durch menschliche Kunstgriffe als Bilder des jeweils anderen an; etwa wenn im Palais-Royal steinerne Vasen mit steinernen Festons geschmückt sind oder Kapitelle vegetabile Formen ausbilden. Andererseits nehmen Pflanzen und Bäume stereometrische Formen an und übernehmen leichte architektonische Aufgaben, indem sie Wände formen, Durchgänge öffnen, mit Überdachungen Räume schaffen. Diese Raumkonstruktionen haben ihr Gegenstück in den Arkadengängen aus Stein, in deren Rundbögen Laternen schwer wie reife Früchte hängen.
Danke, liebe Sira, für diesen Blickwechsel!
Dein Dennis Jelonnek