Lenkung der Dinge - Kunst und Politik in der Frühen Neuzeit
Workshop
Lenkung der Dinge - Kunst und Politik in der Frühen Neuzeit
Das Kausalitätsmodell der ‚Lenkung der Dinge‘ bezeugt das analoge Denken der Frühen Neuzeit in anschaulicher wie konkreter Form. Mit diesem Modell beschäftigt sich ein Forschungsprojekt der Fritz Thyssen Stiftung seit 2017, das nun zu seinem Abschlussworkshop einlädt. Steuerungsfähig sind, je nach Position, Mensch bzw. Magier, Schicksal, Engel und Dämonen, Spiritus und die Gestirne sowie selbstverständlich der große Lenker: Gott. Die Frage, die in den literarischen Texten, in den Künsten und Theorietraktaten der Dämonologie in der Frühen Neuzeit in Italien und Frankreich diskutiert wird, ist, als Frage nach den Künstlerkonzepten, schlicht die nach Möglichkeit und Art der Beherrschbarkeit der Natur, mag diese nun eine dem Menschen äußerliche oder innerliche Natur sein. Diese Frage setzt jeweils eine Verfügbarkeit der Natur voraus, die sodann gestaltbar, lenkbar, steuerbar wird. Entsprechend gelten Schicksalswege, Kunstobjekte und Imaginationen als steuerbar. Welchen Einfluss solche, genuin dämonologischen Denkmodelle für die Kunsttheorie, das Menschenverständnis und das Fiktionskonzept der Frühen Neuzeit haben, soll im geplanten Workshop diskutiert werden.
Um die Macht des Menschen, seine Lenkungsgewalt zu untersuchen, in Analogie zum religiösen Modell der Weltenlenkung (des Magiers) über den menschlichen Körper, den Kosmos und den Gestaltungsprozess von Künstlern wie Politikern, ist ein Workshop geplant, der die Ergebnisse des von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts präsentiert und diese gemeinsam mit Kunsthistorikern und Philologen diskutiert. Kerninteresse wird die Frage nach der Einflussmöglichkeit des Menschen über Sprache, Symbole (Signaturenlehre), Körper (Blick, Faszination), Amt, Position (Fürst als Stellvertreter Gottes), Kunstmodell (Akademien), Farben als Lenkungsinstrumente auf die Umwelt sein. Berücksichtigung findet die Bedeutung von Gestik, symbolischem Handeln, Zaubersprüchen als performative Sprechakte (zur Lenkung durch Rhetorik, Machiavelli, Savonarola, Chapelain), von künstlerischen Gegenständen (z.B. Talisman, Wolken, Portraits, z.B. Poussin) und Bildern als magischen
Objekten. Die Frage nach dem Menschen und seiner Position im Renaissance-Kosmos, nach den Mechanismen der Analogie bezüglich der Lenkung der Natur wird damit vor dem Hintergrund der Forschungen zur Dämonologie neu gestellt und soll gemeinsam in ihrer politischen, kunsttheoretischen und symbolischen Dimension diskutiert werden.
Diese politische Dimension greift nicht zuletzt auch auf die Institutionengeschichte aus, besonders die Akademiegründungen in Italien und Frankreich sind in der Frühen Neuzeit zentrale Lenkungsmomente der Künstler und selbstreflexive Phasen, die - etwa in den Akademieprotokollen - spezifische Einblicke in sehr konkrete Kausalitätsbezüge erlauben. Die französische Rezeption italienischer Lenkungspraxen in Magie, Kunst und Politik steht damit ebenfalls im Fokus und wird besonders anhand der zeitgenössischen Diskussionen um das ‚merveilleux‘ und die Bedeutung des Mythos relevant.