Jahresthema 09/10 - Poiesis. Über das Tun in der Kunst

Poiesis. Über das Tun in der Kunst

Das Bild vom Künstler und seinem Handeln unterliegt immer wieder einschneidenden Veränderungen; angesichts von ready mades und performativer Kunst hat sich der Gedanke vom schöpferischen Produzenten vielfach hin zu einem Vermittler ästhetischer Erfahrungen verschoben (ein »Agieren« freilich auch das). Gerade hinsichtlich dieser veränderten Einschätzung künstlerischen Tuns soll im Rahmen des Jahresthemas 2009/2010 die Poiesis im Sinne der produktiven Kraft des Künstlers und der Kunst in den Blick genommen werden.

 

Im Wesentlichen lassen sich folgende Sichtweisen auf das Thema der Poiesis unterscheiden: Zunächst bietet sich an - im Rekurs auf die etymologische Bedeutung des Wortes Poiesis - die zielgerichtete, künstlerische Tätigkeit, die etwas hervorbringt, in den Blick zu nehmen. Hierbei soll es, von der Seite des Künstlers her gedacht, vorrangig um eine Theoretisierung der künstlerischen Produktivität gehen, wie sie sich in künstlerischen Selbstreflektionen über die ästhetische Praxis in Traktaten, Lehr- und Handbüchern sowie in Selbstbeschreibungen niederschlägt und zeigt. Auch das Akademiewesen und die »Atelierforschung« gewähren bezüglich der Frage, wie sich die künstlerisch-ästhetische Poetik anhand konkreter historischer und aktueller Fallbeispiele umschreiben lässt, erhellend Aufschluss. Gedacht ist hierbei neben Fragen des künstlerischen Vorgehens, der Technik, des Materials und der Arbeitsbedingungen auch an die Wechselwirkung zwischen dem künstlerischen Artefakt und dem Künstler, zwischen einem ‚Handeln der Bilder‘ im weitesten Sinn und dem bildnerischen Akt, was auch ästhetische Dimensionen, wie jene der Autopoiesis, einschliesst.

Daran schließt sich eine weitere Facette der Poiesis an, die die Seite der Bilder beleuchtet: Bilder im weitesten Sinne des Begriffs können als Bildakte verstanden werden, die - in Analogie zu Sprechakten - Ereignisse nicht allein anschaulich verhandeln oder auf sie reagieren, also nicht nur in einer dienenden Funktion stehen, sondern Fakten in ihrer historischen Dimension gerade erst erzeugen. Dehnt man den Begriff des Bildakts, der ikonischen Poiesis, über ein engeres Begriffsverständnis aus, stellt sich die weitergehende Frage, wie Bilder für ihre Betrachter Wirklichkeit formen und einen dezidiert ikonischen Zugang zu ihr ermöglichen. Das berührt die Diskussion über die sinnstiftende Dimension der Poiesis im Sinne einer ikonischen Logik. Nähert man sich dem Begriff damit von der Seite des Denkens her, stellt sich die zentrale Frage, wie Bilder Erkenntnisprozesse und die Erfahrung von Wirklichkeit auslösen und tragen können - das »Tun« der Bilder. In interdisziplinärer Perspektive sind darüber hinaus anthropologische Fragestellungen (»Art and Agency«) ebenso aufgerufen, wie etwa jene der Literaturwissenschaft (»Critique génétique«).

Die internationale Ausrichtung des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris legt nahe, das Thema unter besonderer Berücksichtigung  der französischen und deutschsprachigen, aber auch der angloamerikanischen Diskussion zusammenzuführen. Begleitet wird die Forschungsarbeit der Stipendiaten durch regelmäßige »workshops« mit Gastdozenten, gemeinsame »ateliers de lecture«, Exkursionen, Vorträge und einen abschließenden Jahreskongress. Die mit einem Jahresstipendium verbundene Ausschreibung wendet sich an Promovenden der Kunstgeschichte, deren Thema die übergeordnete Fragestellung berührt oder insgesamt zum Gegenstand hat, wobei bewusst daran gedacht ist, Fallbeispiele in diachroner, internationaler Perspektive und aus sämtlichen Gattungen zu verhandeln. Auch Promovierende benachbarter Disziplinen, die kunsthistorisch versiert sind und deren Dissertationsthemen einen klaren Bezug zur bildenden Kunst vorweisen, sind zur Bewerbung aufgefordert.

 

Leitung: Prof. Dr. Andreas Beyer (Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris) und Prof. Dr. Dario Gamboni (Département d'Histoire de l'Art, Université de Genève)

 

Koordination: Dr. Jérémie Koering

 

Stipendiaten                                        

Lena Bader, Christian Berger, Dominik Brabant
Cyril Crignon, Elisa de Halleux, Lea Karmecke
Antje Kramer, Cornelius Krell, Min Kyung Lee  

Für das jährliche Fachprogramm für 2009/10, rufen Sie bitte die französische Seite auf.